Ich war nie falsch. Ich war unterwegs. Und jetzt bin ich da.
Selbstmitgefühl ist kein Luxus. Es ist die Grundlage emotionaler Heilung. In einer Welt, die von Selbstoptimierung, Effizienz und Vergleich geprägt ist, erscheint Selbstmitgefühl oft als Schwäche. Doch in Wahrheit ist es eine Form von innerer Führung. Eine radikale Entscheidung für dich selbst.
Selbstmitgefühl bedeutet, dich in deiner Tiefe zu sehen – gerade dort, wo du dich selbst verurteilst. Es ist kein Mitleid. Kein Ausweichen. Kein Schönreden. Sondern ein ehrlicher Blick auf das, was in dir lebt – mit einer Haltung der Würde und des Verstehens. Du sagst nicht: „Ich bin falsch“. Du sagst: „Kein Wunder, dass ich so gefühlt habe.“
Ich habe Selbstmitgefühl schon als Kind in mir getragen. Wenn ich zurückschaue, dann konnte ich immer das Warum, den Schmerz und auch den Selbstbetrug hinter meinem Handeln und letztlich hinter meiner Wirklichkeit wahrnehmen. Ich habe mich dafür nie verurteilt und wusste, dass die jeweilige Phase ein Teil des Weges ist, dass der Schmerz in mir noch nicht ausreicht, um aufzustehen. Diese stille, tiefe Mitfühlung für mich selbst war wie ein inneres Wissen – ein zarter, aber kraftvoller Raum in mir, der sagte: „Es ist okay. Du darfst noch nicht so weit sein. Und du bist trotzdem ganz.“
Heute weiß ich: Diese Fähigkeit, mich selbst im Schmerz zu halten, ist keine Schwäche. Es ist meine tiefste Stärke. Denn sie war immer da – auch wenn ich gefallen bin. Sie hat mich nie verlassen. Und sie ist der Grund, warum ich heute andere Menschen daran erinnern kann, wie heilsam es ist, sich selbst mit offenen Armen zu begegnen.
Die verletzte Stimme in dir
In jedem von uns existiert eine Stimme, die zweifelt, die abwertet, die sich selbst kleinmacht. Diese Stimme ist nicht dein Feind – sie ist dein Schutz. Sie entstand in Zeiten, in denen du dich selbst zurückstellen musstest, um Liebe zu bekommen. In denen du gelernt hast, dass Anpassung sicherer ist als Authentizität.
Ich erinnere mich gut an diese Stimme in mir. Ich habe sie nie bekämpft, sondern immer nur still wahrgenommen. Sie war da, wenn ich mich klein fühlte, wenn ich gefallen bin, wenn ich innerlich geschrien habe nach Anerkennung. Ich wusste, dass sie aus meiner Sehnsucht entstand – nicht aus Schwäche. Diese Stimme wollte nicht zerstören, sie wollte beschützen. Sie war mein Schutzengel in dunklen Zeiten. Und trotzdem war ich ihr oft ausgeliefert.
Heute weiß ich, dass es bei mir nicht klassische Selbstverurteilung war. Es war Bitterkeit. Ein Gefühl, das sich tief verankert hatte – wie eine stille Resignation. Nicht gegen das Leben. Sondern gegen das ewige Gefühl, nicht gesehen zu werden. Ich spürte die Enttäuschung, die Ohnmacht, das ständige „Ich habe doch alles gegeben“ – und gleichzeitig diese Bitterkeit in mir, die mir sagte: „Es hat nie gereicht.“ Diese Bitterkeit war nicht laut. Sie war leise. Aber sie war zäh. Und sie schnürte mir oft das Herz ab, bevor ich überhaupt sprechen konnte.
Heute gehe ich anders mit ihr um. Ich setze mich zu ihr, in ihrer Schwärze, und lege meine Hand auf ihr Herz. Ich sage ihr: „Du musst nichts mehr für mich tun. Ich bin jetzt da. Du darfst ausruhen.“
Selbstmitgefühl ist nicht das Gegenteil dieser Stimme. Es ist das bewusste Hinwenden zu ihr. Es bedeutet, innezuhalten und zu sagen: Ich höre dich. Ich verstehe, warum du bitter bist. Ich bin jetzt da – und ich trage dich in Liebe.
Die Wunde wird nicht durch Verdrängung heil

Nur einen Moment, der alles verändert.
Nicht laut. Nicht dramatisch. Nur ehrlich. Ich bin nicht hier, um dich zu verändern. Ich bin hier, um dich zurück zu dir zu führen. Wenn du fühlst, dass es Zeit ist – dann komm hierher: Wer ist Maik Thomas
Viele Menschen glauben, sie müssten ihre Emotionen kontrollieren, um heil zu werden. Doch Heilung geschieht nicht durch Kontrolle. Sie geschieht durch Fühlen. Durch das Zulassen. Durch das Halten.
Selbstmitgefühl ist der Raum, in dem deine Gefühle sein dürfen. Nicht für immer. Aber lange genug, damit sie sich verwandeln können. Nicht durch Erklärung. Sondern durch Gegenwart.
Vor meiner Transformation habe ich unaufhörlich versucht, mehr zu geben, mehr zu halten, mehr zu lindern. Ich wollte für alle da sein – für ihren Schmerz, ihre Themen, ihre Dunkelheit. Ich habe mich aufgelöst in einem ständigen Bemühen, Frieden in das Leben anderer zu bringen. Dabei habe ich mich selbst kaum gespürt. Es war wie ein stiller Selbstverrat – mit dem Wunsch, gebraucht zu werden, geliebt zu werden, sicher zu sein.
Ich spürte alles. Die Konflikte. Die Spannungen. Die unausgesprochenen Ängste der Menschen um mich herum. Und ich glaubte, dass es meine Aufgabe sei, sie zu lösen. Doch es kostete mich unfassbar viel Energie – mehr, als ich bereit war, mir einzugestehen. Denn meine eigenen Wunden blieben dabei unberührt. Ich war so sehr im Außen, dass ich die zarte Stimme in mir nicht mehr hörte: „Und was ist mit dir?“
Als ich in mir die Entscheidung traf, mich nicht mehr zu verleugnen, nicht mehr hintenanzustellen – sondern mich radikal an erste Stelle zu setzen, begannen die Dinge sich zu drehen. Ich sagte Nein. Ich sah hin. Ich fühlte. Und ich erlaubte mir, all das zu halten, was ich so lange verdrängt hatte.
Und dann geschah etwas, das ich nie erwartet hätte: Die Heilung kam nicht leise, sondern kraftvoll. In dem Moment, in dem ich mich selbst ernst nahm, begannen meine Wunden zu heilen. Nicht durch Selbstoptimierung. Sondern durch Selbstmitgefühl. Nicht durch Wegschauen. Sondern durch Hinschauen.
Heute bin ich frei. Frei, weil ich nicht mehr kämpfe. Weil ich nicht mehr fliehe. Weil ich fühle. Und weil ich mich in diesem Fühlen mit einer Tiefe umarme, die mich jeden Tag daran erinnert: Ich war nie falsch. Ich war nur lange nicht bei mir. Und nichts davon geschah aus Egoismus, sondern aus tiefster Selbstliebe. Weil ich zum ersten Mal verstanden habe, dass ich nicht mehr leisten muss, um geliebt zu werden – sondern dass mein Sein allein genügt, um würdig zu sein.
Die Kraft der Vergebung nach innen
Selbstmitgefühl führt dich zur Vergebung. Nicht als Konzept. Sondern als tiefe Bewegung in deinem Inneren. Du erkennst, dass du nie gegen dich warst – sondern immer versucht hast zu überleben. Dass deine Strategien nicht falsch, sondern notwendig waren. Und dass du heute etwas anderes wählen darfst.
Vergebung ist nicht die Absolution für das, was war. Es ist die Anerkennung deines damaligen Bewusstseins. Und die Entscheidung, dich jetzt mitfühlend zu sehen – statt dich weiter zu bestrafen.
Lange war ich auf dem Weg – nicht, weil ich mich nicht gespürt hätte, sondern weil ich mir noch nicht ganz erlaubt hatte, mich zu sein. Ich habe mich reflektiert, zerlegt, neu zusammengesetzt. Ich war funktional. Strukturiert. Diszipliniert. Nicht aus Unwahrheit, sondern aus einem feinen Rest von Angst, dass meine bloße Existenz nicht ausreicht. Und ja – ich habe geführt, gehalten, geleuchtet. Aber immer wieder aus einem inneren Impuls: „Ich muss wirken, um zu genügen.“
Das war keine Schwäche. Das war meine Art, zu überleben – mit Würde. Und diese Würde verdient kein Urteil, sondern ein stilles Nicken: „Danke, dass du mich so lange getragen hast.“ Ich sehe heute, dass ich damals mein Leben aus dem Modus der Kompensation geführt habe. Ich wollte durch mein Leuchten rechtfertigen, dass ich da bin. Ich wollte durch mein Halten beweisen, dass ich liebenswert bin. Doch in Wahrheit war ich einfach nur müde – von einem Weg, der nie wirklich meiner war.
Genau aus diesem Weg ist mein Authentizitätskompass entstanden. Nicht als Methode. Nicht als Produkt. Sondern als energetische Rückverbindung zu mir selbst. Er hat mir gezeigt, dass ich mich nicht neu erschaffen muss – sondern nur aufhören darf, gegen mich zu leben. Und das ist exakt das, was Carl Gustav Jung mit Individuation meinte: der Weg zurück in die Ganzheit – nicht durch neue Rollen, sondern durch Integration der eigenen Wahrheit. Wo Jung analysiert hat, habe ich erlebt. Und daraus ein Feld gebaut, in dem auch andere sich nicht mehr suchen müssen, sondern sich endlich erinnern dürfen.
Heute weiß ich: Ich bin nicht zerbrochen. Ich war auf dem Weg. Und Vergebung ist für mich nicht mehr: „Ich war falsch.“ Sondern: „Ich war bereit – aber noch nicht angekommen.“ Jetzt bin ich da. Nicht als Ideal. Sondern als Ich.
Fazit: Selbstmitgefühl ist gelebte Liebe
Selbstmitgefühl ist nicht weich. Es ist kraftvoll. Es ist die radikalste Form innerer Wahrheit, weil es dich nicht mehr zwingt, dich zu verstellen. Es ist die Stimme, die nicht sagt: „Du musst dich ändern“ – sondern: „Ich bleibe bei dir, auch wenn du gerade zerbrichst.“ Es ist die Antwort auf all die Jahre, in denen du dich übersehen hast, obwohl du so sehr gespürt hast, dass du mehr bist als deine Leistung, deine Maske, dein Aushalten.
Selbstmitgefühl ist der Raum, in dem du dein Leben nicht mehr erklären musst. In dem du nicht mehr kämpfen musst, um gehört zu werden. Es ist der Moment, in dem du nicht mehr gegen deine Geschichte anrennst – sondern sie in dein Herz holst und sagst: „Ich sehe dich. Du darfst bleiben. Und du darfst heilen.“
Und genau dort beginnt wahre Heilung. Nicht laut. Nicht glänzend. Sondern still, ehrlich und zutiefst menschlich. Vielleicht zum ersten Mal echt.
Wenn du heute an dir zweifelst, wenn du dich fragst, ob du genug bist, dann nimm einen Atemzug und sag dir: Ich war nie falsch. Ich war unterwegs. Und jetzt bin ich da.
Und genau hier – in dieser Präsenz, in dieser Milde, in dieser Würde – beginnt alles neu.
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